Es ist Sonntag und Jonathan ist gelangweilt.
Er schaute mit faulen Augen auf seinem Computer. Sein Zimmer war dunkel, sein
Bett stank, die Anzahl der Socken hinter der Tür war ungerade, und er, er hatte
einen schwierigen Montag. Dann kam Dienstag, Mittwoch und dann Donnerstag.
Seine Pupillen weiteten sich aus. Sein Zimmer war kalt, sein Arbeitstisch war
leer. Er war wach. Aber draußen war es dunkel. Freitag und Samstag waren
eintönig. Jonathan war gelangweilt, und das Leben war ziellos.
Hier lebt Jonathan. An der abgelegten
Peripherie von Berlin. Jonathan war ein junger Mann, der endlich nicht mehr bei
den Eltern lebte, sondern allein. Die Ruhe, die Einsamkeit und die Dunkelheit
gaben ihm ein Gefühl der Sicherheit. Aber er hasste sein Leben, denn bisher hat
er nichts Bedeutsames gemacht, und er findet auch keinen Zweck dazu.
Die Bedeutung des Lebens beschäftigte ihn
sehr, denn er versucht immer wieder etwas zu finden, an dem er gut ist, an dem
er allen besiegen kann. Jonathan war ein Loser, ein Nichtstuer und ein Nichtskönner.
Das wüsste er, und jedes Mal, wenn er versucht, etwas dagegen zu tun, scheitert
er, und landet wieder an dem Punkt null.
„Wenn nichts im Leben bedeutsam ist, dann ist
das Leben nicht so wertvoll, wie viele behaupten“, denkt Jonathan immer wieder.
Er habe keine Angst vom Tod, er würde sehr leicht jemanden töten, wenn er es
müsste. Er sei stark, kaltblütig, ruhig und klug. Das sind einige Sachen, die
Jonathan sich wiederholt einbildete.
Heute ist es Sonntag, Jonathan liegt im Bett,
sein Laptop recht daneben. Heute wollte er ein wenig Spaß haben. Er umarmte
sein Kissen, weitete seine Beine auseinander aus, und lag auf seinem Bauch.
Seine Pupillen engten sich. Das Laptop
startete. Er schaute auf seinen Feed, Familie, Freunde, Memes, und das
wiederholt. Jonathan hatte heute etwas anderes im Kopf. Er wollte Adrenalin. Er
wollte Lebensenergie. Er wollte etwas Spannendes diese Nacht haben.
Obwohl Jonathan nach einem Mann klingt, der
noch in der Pubertät lebt, lebten in ihm die Scheiben, die in dieser Phase
entstanden. Jedes Hassgefühl, jede Verletzung, jedes Trauma, alles in Einem
lebte in ihm. Er ließ sein Gehirn gerne betäuben. Sei es mit Videospielen,
Videos, oder auch: Gore.
Das „Dark Web“ ist ein Teil des Internets, wo
man Anonym bleiben kann. Man ist wahrscheinlich mit dem World Wide Webs
familiär. Jeder Link führt zu einer Webseite, die von einem Server irgendwo auf
der Welt gehostet wird. Im Dark Web aber sind die Webseiten nicht öffentlich
verlinkt, sondern aus mehreren Computern von überall auf der Welt gleichzeitig.
Man kann also den Ersteller einer Webseite theoretisch nicht finden. Als Nutzer
des Dark Webs wird man dann auch anonym, da man durch die Nutzung einer
bestimmten Software aus mehreren Computern gleichzeitig eine Webseite zugreift.
Das erlaubte vor allem Perverser und Kriminelle ein wenig Freiheit. Bezahlt
wird normalerweise mit Bitcoin, eine digitale Währung, dank der anonymen
Transaktion. Die größten Drogenmarkte befinden sich im Dark Web.
Das wüsste Jonathan natürlich. Und das
Software hatte er schon installiert. Sein Ziel war, sich optisch zu
befriedigen. Er tippte „Gore“ und suchte durch verschiedene Foren, wo Nutzer
Fotos von Leichen posteten: Leute, die auf der Straße getötet wurden, oder
deren Körper in einer Leichenhalle liegt, oder aufgehängt sind. In anderen
Foren gab es sogar Videos von Kriminellen, die Menschen enthaupteten oder
lebendig brennten. Das waren meistens Gangmitglieder oder politische Truppen. Manche
Nutzer bearbeiteten die Videos, in dem die manchen zusammenkombinierten,
Leichen sexualisierten oder sich um die Opfer lustig machten.
Jonathan beteiligte sich daran nicht.
Innerlich fand er, was er sah, erschreckend, jedoch gab ihm genau dieses
Gefühl, nicht daran beteiligt zu sein, ein Gefühl der Lebensfreude und
Selbstwertgefühl. Also schaute er weiter, und je mehr Bilder er sah, desto
normaler schienen sie für ihn.
Er wechselte die Webseite. Nun war er
neugierig. Er suchte nach einem Markt und landete auf die Hauptseite: Drogen.
Es gab Kokain, Cannabis und andere, von denen er noch nie hörte. Eine
Unterkategorie: Dienstleistungen. Da könnte man Geld oder Ausweise fälschen.
Andere Unterkategorie: Waffen. Von Kleinwaffen bis zu Sturmgeschütz. Es schien
so simpel, so schrecklich simpel, dass Jonathan es nicht glaubte. Es war wohl
sein erstes Mal auf dem Dark Web. Die absurde Einfachheit des Ganzen ließ ihm
hinterfragen, ob das alles legitim ist. Ob er ein Produkt echt haben könnte,
wenn er es bezahlt und eine Adresse eingibt. Ein paar null Komma etwas von
Bitcoin hatte er schon gespart. Aber er wollte es nicht darauf verschwenden. Er
hatte nichts Besseres, wofür er sparen könnte, aber Drogen machte er nicht und
töten möchte er niemanden.
„Oder doch?“ Dachte er. Gibt es Auftragskiller
im Dark Web? Er tippte die Wörter, und er fand die Webseite: KillForMe, das war
der Titel auf der Webseite. Sehr kurios mit einem dunklen Hintergrund und
dunkelrotem Interface gestaltet. Am Banner gab es eine Galerie mit Bildern von
Waffen, vermummte Individuelle, zensierte Leichen und mit Kugeln durchbrochene
Fenster. Darunter zwei bis drei Paragrafen „Über uns“. Jonathan glaubte seinen
Augen nicht. „Wir akzeptieren Aufträge von überall auf der Well“, „Wir
erledigen den Job schnell und behutsam“, „Man wird danach nicht nachverfolgt“,
„Gibt uns Name, Adresse, Foto oder irgendwas, mit dem wir etwas anfangen
könnten, und sitze ruhig“, „Foto Beweise nach Auftragsende“.
Das Leben eines Menschen war einen Knopfklick
Wert, dachte Jonathan kritisierend. Auf der Webseite standen keine Preise, man
solle zuerst den Job besprechen, dann werde ein Preis in Bitcoin vorgeschlagen.
Es sei komplett anonym, und es werde nach keinen persönlichen Daten gefragt.
Ziemlich überzeugend. „Wir wissen nichts über dich, wir können deshalb nicht
die Bundespolizei sein“.
Jonathan war aufgeregt. So viele Spannung auf
einmal hat er seit langem nicht mehr erlebt. Er wollte noch tiefer erkunden. Er
klickte auf „Chat beginnen“ und wartete darauf, dass einer der Auftragskiller
ins Chat-Kanal kam. Es dauerte ein paar Minuten, bis er ein „Hallo, wen sollten
wir töten? Bitte zuerst Ort und Datum eingeben, um einen Preisvorschlag zu
machen“ als Antwort erhielt. Der Auftragskiller hatte den Pseudonym „Grompy“.
Grompy brachte es auf den Punkt. Jonathan war es plötzlich bange. Er fühlte
sich beobachtet, und fühlte eine plötzliche Bedrohung. Er liebte es aber.
Dieses Gefühl, das mochte er. Er schrieb: „Berlin, nächsten Freitagabend“ und
klickte auf Senden. Nach den gleichen Minuten wie vorher antwortete Grompy: „0,022
Bitcoin auf mxyQm7iVFyHqvVpPJ6km5bkmapUp6Eb5sn, stelle es in der
verzögerten Sendung, sodass wir den Betrag erst dann erhalten, wenn der Job zu
Ende ist und wir das Beweisbild schicken. Wir müssen aber sicherstellen, dass
du zahlen kannst.“
Jonathan war völlig perplex. 0.022 Bitcoin
könnte er es sich leisten. Für ein Abenteuer, warum nicht? Er dachte aber, so
viele Menschen kennt er gar nicht, auch nicht Jenigen, die er töten würde. Es
müsste jemand sein, der nah von hier lebt, damit er das Killen miterleben kann,
damit er dien Auftragskiller sieht. Er würde dann den Killer stoppen und die
Polizei benachrichtigen. Diese Killer seien doof, sowas in einem Land wie
Deutschland zu betreiben. Denken sie wirklich, sie könnten einfach töten und davonkommen?
Er dachte zu sich. Er schrieb dann: „Jonathan Kristopher, 22 Jahre,
alleinlebend, Ringpromende 20, Falkensee“
Jonathan verzögerte kurz, sendete aber
entschlossen die Nachricht. „Ist sowieso wahrscheinlich nur eine Abzocke“,
dachte er. „Wie sieht er aus?“. Jonathan sendete dann ein Foto von sich. „Hat
er Kinder, die ihn rechen wollen würden?“. Das ist doch unmenschlich, die
würden die Kinder auch töten? Dachte Jonathan. Das Adrenalin fließ. Eine
Mischung aus Hass, Wut, Selbstwertgefühl und Stärke überfüllte ihn. „Nein“
antwortete er. „Ok, wir bekommen den Job bei Freitag hin“.
[Zahlung bestätigt. Status des Auftrags: In
Vorbereitung]