Montag, 23. Dezember 2024

Ich werde dich für immer lieben

 Ich vermisse ihn so sehr ... Ich vermisse ihn so sehr, dass es sich anfühlt, als würde ständig ein Teil von mir fehlen. Jedes Mal, wenn ich versuche, mich zu erinnern, scheint es, als würde ich durch eine transparente Wand blicken, die mich nicht weitergehen lässt ... vermutlich, um mich zu schützen, wie ich mir dachte.

Ich vermisse ihn so sehr ... Jedes Mal, wenn ich sein Gesicht ansehe, das Foto auf meinem Tisch, fühlt es sich an, als wäre ich in einem leeren Raum, ohne etwas um mich herum wahrzunehmen oder zu hören. Obwohl ich immer wieder dieselben Dinge erinnere, die ich so geliebt habe, wird mir jedes Mal bewusst, dass er nicht mehr da ist. Und dass er es nie wieder sein wird. Ich versuche, das zu begreifen, aber es fühlt sich unwirklich an. Und dann treibe ich einfach weiter in dieser Leere.

Ich vermisse ihn so sehr ... Immer wenn ich mich in einem Zustand wie diesem befinde, der mich letztlich dazu bringt, diese Worte zu schreiben, fühlt es sich an, als würde ich Berge tragen. Es ist schwer, so schwer – aber nicht auf meinen Schultern, sondern in meinem Herzen. Ich spüre, wie es mich nach unten zieht. Und trotzdem kann ich nicht weinen. Wegen dieser Wand kann ich nicht weinen, aber ich will weinen. So sehr. Auch wenn es ihn nicht zurückbringen würde.

Ich wünschte, ich wäre gestorben und er hätte leben dürfen. Ich wünschte, ich hätte ihm die Hälfte meines Lebens geben können. Ich wünschte, ich hätte irgendeine Wahl gehabt – aber niemand hatte sie. Es ist gerecht, aber doch so ungerecht. Ich werde dich für immer lieben.

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Montag, 28. Oktober 2024

Fata Morgana

Es ist schon wieder dunkel geworden. Im Winter vergeht der Tag eben so schnell. Entschuldigung, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich bin Maria, was bringt dich zu dieser Kneipe?

Sag etwas, dachte ich. Ich weiß nicht, warum ich hier bin. Es ist, als hätte ein namenloser Gott mich aus den Haaren gezogen und mich hier gesetzt. Frauen sprechen mich nicht sonst an. Ach ja, Maria. Maria… Kneipe, hier.

„Ja, wollte eben nach der Arbeit… ein wenig loslassen,“ setzte ich zusammen.
Ah, über die Arbeit sollten wir also am besten nicht reden, verstehe.

Sie hat wunderschöne Augen.

Du bist also nicht oft hier? Dich habe ich auf jeden Fall nie gesehen; nicht dass ich jeden hier kenne, verstehe mich nicht falsch, also…

Sie drehte sich zu ihrem Weißweinglas um. Ihr Territorium am Glasrand hat sie deutlich, aber nicht absichtlich, mit hell-rotem Kuss markiert. Sie trug eine weiße Tasche mit einem goldenen Rand. Ihre Jacke war warm, ich meine braun. Eine warme Farbe. Ihre dunkelrote Bluse aus Wolle hat bestimmt viel gekostet. Sie ließ sie sich leisten, weil sie so gut daran aussah.

"Das ist mein erstes Mal hier, de facto, ich habe mich irgendwie verlaufen. Diesen Teil der Stadt kenne ich gar nicht.“ Hinter dem Tresen funkelte eine Eiskugel, die der Barmann in einem Glas drehte. „Ich weiß nicht, wie ich in dieser Kneipe gelandet bin. Ich weiß auch nicht, wohin ich wirklich hin sollte.“

Du redest wie ein Kind, das seine Mutter verloren hat. Ich hörte, wie sie kicherte, sie drehte sich dann wieder zu mir. Bist du verloren, großer Mann? Dann lachte sie.

Du bist hier, um zu trinken! Eine Tequila für den Herren, bitte!
„Wasser,“ murmelte ich. Wurde, dem Murmeln gerecht, ignoriert. Mein Hals ist trocken. Sie zahlte, dann sprang weg von dem Stuhl, ich trank meine Tequila, sie tanzte. Ich schaute sie an. Harmonische Bewegung, schüchterne Schritte, gelassenes Gesicht, deutliches Lächeln. Die braun-roten Locken. Sie sah zauberend aus. Aber wie bin ich hier gelandet, und warum ist mein Hals so trocken. Wohin sollte ich hin, wenn ich nicht mal weiß, wo ich bin. Das Lied spielte weiter. Maria guckte mich an. Ich stand auf und habe ihre Schritte gefolgt, die immer weiter weg tanzten. Ich schaute sie nicht an, nur ihre Beine, ihre Schritte. Sie kannte das Spiel, sie kannte das Lied und … sie kannte die Schritte. Ich habe sie nur gefolgt.

Es ist immer so kalt im Winter. Ich denke immer darüber nach, in einen wärmeren Ort umzuziehen. Wie Spanien. Sie sagte das, und rieb ihre Hände zusammen. Spanien ist schön, dachte ich, aber so weit weg möchte ich nicht gehen. Nicht, dass irgendwer hier mich vermissen würde. Nicht, dass es all meine Probleme lösen würde. Komm! Worauf wartest du denn? Ich suchte, von wo das Geräusch kam. Da war die Silhouette einer attraktiven Frau am Straßenrand. Maria. Sie wusste, wohin zu gehen. Ich folgte die Schatten ihrer Schritte, die pulsierend deutlicher wurden, je nachdem ob ein Auto vorbeifuhr. Du bist so seltsam, warum sagst du denn nichts? ,,Mir ist es zu kalt, entschuldige mich…“ sagte ich laut. Der Alkohol hat da wirklich nicht geholfen. Komm, schneller, ich weiß, wo es warm ist! Sie wusste, wo es warm war. Sie kannte die Stadt, sie kannte die Wege, sie kannte die Läden.

Es ist mir so kalt im Schnee. Ich hätte mich anders anziehen müssen, wusste ich denn nicht, dass es draußen dunkel und kalt ist? Ich kann meine Füße nicht spüren. Die Sonne ging auf. Ich kann jetzt besser sehen, aber es ist noch so kalt. Ich kann Maria nicht finden. Sie hat mich hier verlassen, Gott weiß, wo ich bin. Die Straßen sind leer, die Lichter sind aus. Warum ist es so trocken in meinem Hals? Wo ist Maria hin. Ich suchte die braune Jacke, die weiße Tasche, die führenden Schritte. Ich suchte, wo es warm ist. Es ist so kalt im Winter. Vielleicht sollte ich nach Spanien umziehen, davor sollte ich aber mein Zuhause finden.

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Freitag, 4. Oktober 2024

Getaktete Liebe

Jede Sekunde eines Lebens ist ein Buchstabe eines Wortes. Jedes Wort ist Teil eines Satzes. Und alle Sätze zusammen machen ein Buch, das ist das Leben. Keine Sekunde vergeht, ohne dass die nächste Sekunde vorbestimmt wurde. Deshalb schreibe ich ein „E“ nach „L“, danach „B“ und „E“ und „N“. Sekunde nach Sekunde wird ein Wort fertig. Wort nach Wort wird die Seite des Tages angefüllt.

Das ist natürlich unfair. Eine Welt voller Wörter erlaubt keine Farben. In einer Welt, in der wir Liebe finden sollten, dürfen Wörter nicht so viel Macht haben. Jede Sekunde ist Teil eines Wortes, und jedes Wort verändert den Satz, und ein Satz reicht für eine neue Geschichte.

Es ist nicht fair, dass Wörter so viel Macht haben.

Für eine Welt, wo Liebe herrschen sollte, ist diese Welt viel, viel zu schnell. Eine Sekunde reicht, um ein neues, falsches Wort zu erschaffen. Ein falsches Wort reicht, um Liebe ganz und gar auszulöschen.

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Sonntag, 26. Februar 2023

Auftragskiller (Teil I)

Es ist Sonntag und Jonathan ist gelangweilt. Er schaute mit faulen Augen auf seinem Computer. Sein Zimmer war dunkel, sein Bett stank, die Anzahl der Socken hinter der Tür war ungerade, und er, er hatte einen schwierigen Montag. Dann kam Dienstag, Mittwoch und dann Donnerstag. Seine Pupillen weiteten sich aus. Sein Zimmer war kalt, sein Arbeitstisch war leer. Er war wach. Aber draußen war es dunkel. Freitag und Samstag waren eintönig. Jonathan war gelangweilt, und das Leben war ziellos.

Hier lebt Jonathan. An der abgelegten Peripherie von Berlin. Jonathan war ein junger Mann, der endlich nicht mehr bei den Eltern lebte, sondern allein. Die Ruhe, die Einsamkeit und die Dunkelheit gaben ihm ein Gefühl der Sicherheit. Aber er hasste sein Leben, denn bisher hat er nichts Bedeutsames gemacht, und er findet auch keinen Zweck dazu.

Die Bedeutung des Lebens beschäftigte ihn sehr, denn er versucht immer wieder etwas zu finden, an dem er gut ist, an dem er allen besiegen kann. Jonathan war ein Loser, ein Nichtstuer und ein Nichtskönner. Das wüsste er, und jedes Mal, wenn er versucht, etwas dagegen zu tun, scheitert er, und landet wieder an dem Punkt null.

„Wenn nichts im Leben bedeutsam ist, dann ist das Leben nicht so wertvoll, wie viele behaupten“, denkt Jonathan immer wieder. Er habe keine Angst vom Tod, er würde sehr leicht jemanden töten, wenn er es müsste. Er sei stark, kaltblütig, ruhig und klug. Das sind einige Sachen, die Jonathan sich wiederholt einbildete.

Heute ist es Sonntag, Jonathan liegt im Bett, sein Laptop recht daneben. Heute wollte er ein wenig Spaß haben. Er umarmte sein Kissen, weitete seine Beine auseinander aus, und lag auf seinem Bauch.

Seine Pupillen engten sich. Das Laptop startete. Er schaute auf seinen Feed, Familie, Freunde, Memes, und das wiederholt. Jonathan hatte heute etwas anderes im Kopf. Er wollte Adrenalin. Er wollte Lebensenergie. Er wollte etwas Spannendes diese Nacht haben.

Obwohl Jonathan nach einem Mann klingt, der noch in der Pubertät lebt, lebten in ihm die Scheiben, die in dieser Phase entstanden. Jedes Hassgefühl, jede Verletzung, jedes Trauma, alles in Einem lebte in ihm. Er ließ sein Gehirn gerne betäuben. Sei es mit Videospielen, Videos, oder auch: Gore.

Das „Dark Web“ ist ein Teil des Internets, wo man Anonym bleiben kann. Man ist wahrscheinlich mit dem World Wide Webs familiär. Jeder Link führt zu einer Webseite, die von einem Server irgendwo auf der Welt gehostet wird. Im Dark Web aber sind die Webseiten nicht öffentlich verlinkt, sondern aus mehreren Computern von überall auf der Welt gleichzeitig. Man kann also den Ersteller einer Webseite theoretisch nicht finden. Als Nutzer des Dark Webs wird man dann auch anonym, da man durch die Nutzung einer bestimmten Software aus mehreren Computern gleichzeitig eine Webseite zugreift. Das erlaubte vor allem Perverser und Kriminelle ein wenig Freiheit. Bezahlt wird normalerweise mit Bitcoin, eine digitale Währung, dank der anonymen Transaktion. Die größten Drogenmarkte befinden sich im Dark Web.

Das wüsste Jonathan natürlich. Und das Software hatte er schon installiert. Sein Ziel war, sich optisch zu befriedigen. Er tippte „Gore“ und suchte durch verschiedene Foren, wo Nutzer Fotos von Leichen posteten: Leute, die auf der Straße getötet wurden, oder deren Körper in einer Leichenhalle liegt, oder aufgehängt sind. In anderen Foren gab es sogar Videos von Kriminellen, die Menschen enthaupteten oder lebendig brennten. Das waren meistens Gangmitglieder oder politische Truppen. Manche Nutzer bearbeiteten die Videos, in dem die manchen zusammenkombinierten, Leichen sexualisierten oder sich um die Opfer lustig machten.

Jonathan beteiligte sich daran nicht. Innerlich fand er, was er sah, erschreckend, jedoch gab ihm genau dieses Gefühl, nicht daran beteiligt zu sein, ein Gefühl der Lebensfreude und Selbstwertgefühl. Also schaute er weiter, und je mehr Bilder er sah, desto normaler schienen sie für ihn.

Er wechselte die Webseite. Nun war er neugierig. Er suchte nach einem Markt und landete auf die Hauptseite: Drogen. Es gab Kokain, Cannabis und andere, von denen er noch nie hörte. Eine Unterkategorie: Dienstleistungen. Da könnte man Geld oder Ausweise fälschen. Andere Unterkategorie: Waffen. Von Kleinwaffen bis zu Sturmgeschütz. Es schien so simpel, so schrecklich simpel, dass Jonathan es nicht glaubte. Es war wohl sein erstes Mal auf dem Dark Web. Die absurde Einfachheit des Ganzen ließ ihm hinterfragen, ob das alles legitim ist. Ob er ein Produkt echt haben könnte, wenn er es bezahlt und eine Adresse eingibt. Ein paar null Komma etwas von Bitcoin hatte er schon gespart. Aber er wollte es nicht darauf verschwenden. Er hatte nichts Besseres, wofür er sparen könnte, aber Drogen machte er nicht und töten möchte er niemanden.

 

„Oder doch?“ Dachte er. Gibt es Auftragskiller im Dark Web? Er tippte die Wörter, und er fand die Webseite: KillForMe, das war der Titel auf der Webseite. Sehr kurios mit einem dunklen Hintergrund und dunkelrotem Interface gestaltet. Am Banner gab es eine Galerie mit Bildern von Waffen, vermummte Individuelle, zensierte Leichen und mit Kugeln durchbrochene Fenster. Darunter zwei bis drei Paragrafen „Über uns“. Jonathan glaubte seinen Augen nicht. „Wir akzeptieren Aufträge von überall auf der Well“, „Wir erledigen den Job schnell und behutsam“, „Man wird danach nicht nachverfolgt“, „Gibt uns Name, Adresse, Foto oder irgendwas, mit dem wir etwas anfangen könnten, und sitze ruhig“, „Foto Beweise nach Auftragsende“.

Das Leben eines Menschen war einen Knopfklick Wert, dachte Jonathan kritisierend. Auf der Webseite standen keine Preise, man solle zuerst den Job besprechen, dann werde ein Preis in Bitcoin vorgeschlagen. Es sei komplett anonym, und es werde nach keinen persönlichen Daten gefragt. Ziemlich überzeugend. „Wir wissen nichts über dich, wir können deshalb nicht die Bundespolizei sein“.

Jonathan war aufgeregt. So viele Spannung auf einmal hat er seit langem nicht mehr erlebt. Er wollte noch tiefer erkunden. Er klickte auf „Chat beginnen“ und wartete darauf, dass einer der Auftragskiller ins Chat-Kanal kam. Es dauerte ein paar Minuten, bis er ein „Hallo, wen sollten wir töten? Bitte zuerst Ort und Datum eingeben, um einen Preisvorschlag zu machen“ als Antwort erhielt. Der Auftragskiller hatte den Pseudonym „Grompy“. Grompy brachte es auf den Punkt. Jonathan war es plötzlich bange. Er fühlte sich beobachtet, und fühlte eine plötzliche Bedrohung. Er liebte es aber. Dieses Gefühl, das mochte er. Er schrieb: „Berlin, nächsten Freitagabend“ und klickte auf Senden. Nach den gleichen Minuten wie vorher antwortete Grompy: „0,022 Bitcoin auf mxyQm7iVFyHqvVpPJ6km5bkmapUp6Eb5sn, stelle es in der verzögerten Sendung, sodass wir den Betrag erst dann erhalten, wenn der Job zu Ende ist und wir das Beweisbild schicken. Wir müssen aber sicherstellen, dass du zahlen kannst.

Jonathan war völlig perplex. 0.022 Bitcoin könnte er es sich leisten. Für ein Abenteuer, warum nicht? Er dachte aber, so viele Menschen kennt er gar nicht, auch nicht Jenigen, die er töten würde. Es müsste jemand sein, der nah von hier lebt, damit er das Killen miterleben kann, damit er dien Auftragskiller sieht. Er würde dann den Killer stoppen und die Polizei benachrichtigen. Diese Killer seien doof, sowas in einem Land wie Deutschland zu betreiben. Denken sie wirklich, sie könnten einfach töten und davonkommen? Er dachte zu sich. Er schrieb dann: „Jonathan Kristopher, 22 Jahre, alleinlebend, Ringpromende 20, Falkensee“

Jonathan verzögerte kurz, sendete aber entschlossen die Nachricht. „Ist sowieso wahrscheinlich nur eine Abzocke“, dachte er. „Wie sieht er aus?“. Jonathan sendete dann ein Foto von sich. „Hat er Kinder, die ihn rechen wollen würden?“. Das ist doch unmenschlich, die würden die Kinder auch töten? Dachte Jonathan. Das Adrenalin fließ. Eine Mischung aus Hass, Wut, Selbstwertgefühl und Stärke überfüllte ihn. „Nein“ antwortete er. „Ok, wir bekommen den Job bei Freitag hin“.

[Zahlung bestätigt. Status des Auftrags: In Vorbereitung]

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Mittwoch, 28. Dezember 2022

Im Winter

Im Winter lege ich mich gerne hin. Höre Musik, schaue Videos an und lasse die Zeit vergehen. Winter ist…kalt. Das ist selbstverständlich. Aber hast Du von dem Menschen gehört, dem es immer kalt ist? Egal, ob es Winter oder Sommer oder Frühling oder Herbst ist. Diesem Menschen ist es kalt. Und genau wie ich, lässt er die Zeit vergehen. Jetzt, wo ich in meinem Zimmer bin, die Heizung auf fünf habe und Eis esse, sitzt dieser Mensch in einer kalten Höhle. Eine Höhle, die er nicht entkommen kann. Er umarmt seine Beine, fühlt die Kälte des Bodens durch seine Zehen. Sein Gesicht ist verdunkelt und er…er ist nicht mehr Derselbe. Dieser verdammte, gottlose Mensch sitzt da, und tut nichts gegen die Kälte. Diese Enttäuschung, dieser Trauer, dieser Wut, diese Gedanken, oh! Die Kälte! Wie er da sitzt, wie er da murmelt, wie er da weint, wie er da schreit, oh! Die Kälte! Fühlt er sie nicht?

Dieser Mensch…die Wärme…möchte er sie nicht? Möchte er sie nicht? Aber wie würde er Wärme möchten, wenn er sie nicht kennt? Wenn es schon immer kalt gewesen ist? 

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Freitag, 23. Dezember 2022

Mein Spiegelbild

Es war noch Nacht, als ich aufwachte. Das weiß ich, obwohl es keine Fenster gab. Dieses Zimmer ist dunkel, so dunkel, dass ich meine Hände nicht sehen kann, wenn ich meine Arme ausstrecke. Ich bin an dieser Dunkelheit gewohnt. Das Zimmer hat ein Bett. Das weiß ich, da ich darauf immer schlafe. Es hatte auch einen Stuhl, worauf ich mich immer hinsetze. Ab und zu höre ich Geräusche von draußen, dann weiß ich, dass es Tag ist. Gerade ist es aber still, todstill.

Wenn ich normalerweise um diese Zeit aufwache, bleibe ich im Bett solange, bis ich wieder einschlafe. Heute ist es aber anders, denn ich werde beobachtet. Wenn ich beobachtet werde, muss ich etwas tun.

Ich stand auf, tastete die Dunkelheit um mich und stieß gegen einen Tisch. Es ist ein Tisch, das weiß ich, da darauf etwas steht. Ein Holzteller, soweit ich weiß. Dieser fiel auf den Boden. Ich bewegte mich nun langsamer und schaute rum. Zu meiner Überraschung schwemmten da in meiner Augenhöhe zwei funkelnden Bällchen. Sie funkelten mir entgegen. Wenn ich die Augen schließe, sind sie nicht mehr da. So weiß ich, dass ich die Augen die ganze Zeit auf hatte. Das sind also keine Abbildungen aus meinen Augenlidern. Diese zwei Bällchen befinden sich im Raum. Mit mir. Ich gehe auf sie zu. Sie werden größer, also werde ich tatsächlich näher. Ich strecke meinen rechten Arm und versuche, sie zu greifen. Meine Hand wird aber von einer Wand gestoppt. Ich lege mein Gesicht direkt gegen die Wand, meine Augen den Bällchen entgegen. Ich merke nun, das ist keine Wand, und das sind keine schwemmende Bällchen. Das sind meine Augen, die da funkeln und von einem Spiegel reflektiert werden.

Ein Gefühl der Einsamkeit zieht über mich. Dieses müsste schon immer da gewesen sein, aber als es vorübergehend verschwand, gewöhnte ich mich davon ab, und nun muss ich es neu fühlen...

Die Augen, die da in meinen schauen, sind meine eigene. Ich schaue weg, dann sind sie nicht mehr da, oder doch? Das kann ich nicht beweisen. Das kann ich nicht wissen.
Ich tastete nach den Rändern von dem Spiegel. Er ist nicht so groß. Ich hebe es auf und stelle es gegen mein Bett so, dass ich, wenn ich an der Seite schlafe, die Reflexion meiner Augen sehen kann. Dann legte ich mich wieder auf meinem Bett, schaute die funkelnden Bällchen wieder an, und schlief ein.

Am nächsten Tag (es war Tag, da es viele Geräusche gab) sah ich meinen funkelnden Augen wieder durch den Spiegel an. Es war, als erwartete ich, dass jemand jetzt auf mich zukommt und mit mir spricht. Aber keiner war da, und ich saß nur so, mit mir, für mich hin. Ich fing an, zu sprechen. Ich sprach mit dem, was ich für mein Spiegelbild hielte. Es war da, das weiß ich, denn ich sehe die funkelnden Augen. Ich merkte dann, dass meine Stimme fremd war. Wenn man in der Dunkelheit allein sitzt, spricht man nicht gerne. Man hat die Angst, beantwortet zu werden. Aber die hatte ich gerade nicht, ganz im Gegenteil. Ich hatte das Gefühl, als kennte ich die Person, die vor mir steht, seit echt lange. Als seien wir beste Freunde.

So erzählte ich meinem Spiegelbild, beziehungsweise dem, was ich davon sah, wie ich mich fühle, was meine Träume sind, was ich sein möchte und die ganzen Theorien, die ich über diesen Ort habe. Ich bekam keine Antwort, das beunruhigte mich nicht. Jeden Tag erzählte ich mehr und mehr, bis es nichts mehr zu erzählen gab.  

Ich lag wieder auf dem Bett, schaute die glänzenden Augen an, hatte aber keine Worte mehr im Hals. "Wach auf, wach bitte auf" sagte plötzlich eine weinende Stimme. Die kam von meinem Spiegelbild. Aber ich bin doch wach? ich sehe meine glänzenden Augen. Aber zum ersten Mal sehe ich eine Emotion in ihnen. Es war kein Trauer, keine Gleichgültigkeit. Nichts, was ich die ganze Zeit zu fühlen dachte. Es war eher auffordernd. Ich stand auf, tastete um mich herum. Ich versuchte die Wände wieder zu finden. Es war dunkel. Ich tastete weiter und da, da gab es eine Klinke. Ich zieh dran, und sie lies sich ziehen. Je ich zieh, kam Licht rein. Meine Augen brennten und ich drückte dann dran. Das Licht war weg. Ich war wieder wach, und das Licht war aus. Ich stand auf, tastete mich wieder heran. Fand die Klinke wieder und zieh dran. Es öffnete sich die Wand. Das war eine Tür. Eine Dusche. Ein Waschbecken und Licht. Meine Augen brennten nicht.

Ich hörte die Stimme einer Frau hinter mir. "Du bist endlich wach" sagte sie und umarmte mich. Ich kenne dich nicht, wollte ich sagen, aber ich erinnerte mich an mein Spiegelbild...wie er mir über seine Träume sprach, wie er meinte, er wolle endlich heiraten. War das seine Gelobte? Aber warum seine? Ist doch auch meine. Aber ich erinnere mich an sie nicht.

Es war ein Autounfall, der mich zu diesem Ort brachte. Ich sei für Wochen bewusstlos gewesen. Die Verlobte habe mich immer besucht. Ich hieße Wagner. Und so lebte ich weiter.








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Montag, 18. Juli 2022

Zen Traum

Ich wache plötzlich in, wie es aussah, Schweden auf. Grüne Hügel, Flüsse und Berge in der Ferne. Ich weiß nicht, wo genau ich bin. Ich weiß nicht, wohin ich hin sollte, aber ich müsste zurückkehren. Es erscheint eine Zughaltstelle, und da steht ein alter Dampfzug mit nur einem Waggon voller Passagiere. Der ganze Traum ist in Ghibli-Anime Stil. Ich stieg ein und eine schlampige Person kommt zu mir mit lustigen Schritten und nettem Lächeln. Sie ist der Zugführer. Ich grüße den jungen Mann und sage, dass ich irgendwo hin will. Er sagt: "Na klar, der Zug fährt da durch!".

Ich bleibe und der Zug fährt weiter. Ich beobachte die Passagiere. Wir kommen in einem Dorf an und ich steige aus. Es gibt einen Flohmarkt. Der ganze Ort sah wie ein Slum aus. Alle waren nett, und der Lokführer am nettesten. Er war ein wenig wie einen bekannten besten Freund. Ich habe für ihn deshalb ein Zugführer T-Shirt gekauft, was er tatsächlich liebte, obwohl es zu klein gewesen ist.

Ich habe mich im Traum entspannt und glücklich gefühlt. Es war ein Raum voller Nachdenken und Frieden. Ich wollte nicht aufwachen.

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Dieser Traum stellt eine bewusste Vorstellung von mir dar: Ich steige in einem unbekannten Zug von einem und zu einem unbekannten Ort. Eine lange Reise nur zum Nachdenken und zum Lesen.  

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Montag, 4. Juli 2022

Im Zug

Sitzt jemand hier?

Nein, nur ich bin hier daneben, bitteschön

Danke, mein Junge. Nah, wo geht's hin?

Mit dem Zug

Ja, wohin?

Hierhin

hier?

Ja

Wo ist hier?

Im Zug

Aber wohin geht der Zug?

Ich weiß es nicht, aber ich bin hier

Woher kommst du, Junge?

Aus dem Zug

Wo war der Zug?

Er war schon immer hier

Aber er ist ständig in Bewegung!

Nein, der Zug ist immer hier, sonst wäre ich nicht mit ihm! Solange ich diese Türen nicht durchtrete, werde ich auch nur hier sein, und der Zug hier mit mir.

Und das Leben?

Dieses ist ständig in Bewegung, da kann ich nicht mit bleiben. Aber hier! Hier bin ich einfach hier, und kann hier bleiben. Der Zug mit mir.

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Reisender

Lass mich dir von einem Jungen erzählen. Er hieß Reisender. Genau wie du hat er sich das Ziel gesetzt, so viel von der Welt zu sehen, wie es möglich ist. Als er das seinem Vater erzählte, sagte der Vater "Sohn, sitz dich hin". Reisender nahm sich einen Platz, es war dunkel und der Raum war mit dem Mondlicht beleuchtet. Die Schatten von dem Kaffeetisch, einem Dinosaurier-Spielzeug und dem Sofa, worauf sich der Vater saß, waren zu sehen. "Kleiner", führte der der Vater, "was ist die Welt für dich?". Reisender blieb stumm. Er sah seinem Vater konzentriert an. Er sah, wie die müden Augen aus mehreren Faltenlinien herausragen. Er sah, wie der Vater wieder anfing, seine Lippen zu bewegen. "Ist dieses Haus die Welt für dich?". "Nein?", fragte der Vater, als Reisender nichts antwortete. "Ist es vielleicht unsere Nachbarschaft? Das soll es doch sein. Da sind deine Freunde, Schule und Familie". "Aber Vater, die Welt ist viel größer!", sagte Reisender.


Der Vater lehnte sich nach vorne: "Dann ist es unsere Stadt? Willst du so viel von unserer Stadt sehen, wie es möglich ist?" "Noch größer, Vater!" "Das Land!", schrie der Vater, "Du willst durch das Land! Durch jedes Haus, jede Nachbarschaft und jede Stadt! Du willst die südlichen Bergen hinauf, die breiten Flüssen hindurch und die längsten Felder herüber! Ist das für dich die Welt?"

Der Junge schaute seinen Vater an und dachte für sich. "Nein, das ist es nicht", antwortete der Vater abschließend.

Reisender kam zu mir in einem nicht so unterschiedlichen Zustand wie dein. Er erzählte mir, dass er von der Welt noch nicht genug gesehen hat, dass es noch viel zu viele Sachen zum Erkunden gibt. Aber Reisender verließ nie die Stadt. "Möchte ich, brauche ich auch nicht" sagte er mir. "Mein Vater sagt, dass die Welt von hier anfängt, und hier schließlich endet". Dabei zeigte er mit dem Finger auf die Brust.

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Sonntag, 12. Juni 2022

Tod Ist Schneller

Im Treppenhaus weinten Kinder und schrien. Sie saßen wie Kugeln auf den Treppen, die Finger in die Ohren steckend. Ich sah meine Cousine an, ihren blonden Haaren, die Augen. Sie war immer so vital und glücklich, aber jetzt... Sogar ihre Hälfte fehlte, für irgendein Grund. Ich schaute um, sie ist nirgendwo zu sehen. Die Zwillinge waren sonst immer zusammen, aber seit die Flugzeuge anfingen, zu bombardieren, finde ich nur die eine Hälfte. Ich schaute um, das Treppenhaus von dem alten Gebäude ist wie immer so dunkel. Die meisten Ecken wurden nie vom Sonnenlicht getroffen, und da, wo Sonne scheint, standen ein paar Pflanzen. Aber sogar in diesen Ecken ist es dunkel, die Pflanzen sind tot. Ich habe mich immer bewundert, warum man eine Pflanze hier versucht, am Leben zu erhalten. Ja klar, sie atmen und ernähren, das tue ich auch, aber ich kann denken und wahrnehmen. Die Dingern wissen nicht Mal, dass ihre Häupter in der Hölle auf Erden sich befinden. Ich schaute nochmal auf die Schwestern um, ich entdecke nur eine Hälfte. Die blauen Augen sind aber nicht mehr zu sehen. Sie murmelt mit koranischen Worten, in der Hoffnung, dass Gott sie am Leben erhält, oder uns. Ich will nicht am Leben bleiben. Ich habe schon immer gehofft, zu sterben. Ich will nicht aus eigener Hand sterben, nein, ich bin nicht schwach. Ich will getötet werden, genau. Ich möchte, dass jemand meine Seele nimmt, sie von mir klaut, das, was mir Gott gab. So trage ich keine Schuld, oder bin ich schon schuldig wegen des Wollen?
Ich schaute um.

Die Zwillingsschwester weint immer noch. Ich ging zu ihr und saß auf ihrer Höhe. Sie bewegte sich nicht, nahm mich kaum wahr. Ich sah in ihrer Augen, unter den Lidern versteckt, aber ich sah sie. „Ist alles gut?" „Ich will, dass's aufhört" und sie wiederholte es weiter. Ob es aufhören wird, liebes, weiß ich nicht. Man könnte die Augen schließen, und so tun, als hörte es auf. Ich erinnere mich in der Grundschule noch wie mein Freund und ich herausgefunden haben, dass man Bilder im Kopf bilden kann und so verschiedene Sachen sich vorstellen kann. Ich lernte später, dass das Fantasie genannt wird, und noch später, dass mein anderer Freund, der das nicht könnte, von Aphantasie litt. Wir stellten uns so den Kopf der Lehrerin im Körper einer Kakerlake, oder den Körper meines anderen Freundes als einen Bleistift vor. Darauf stürzten wir ins Lachen. Wenn man die Augen schließt, weiß man gern, dass nichts andere auf der Welt existiert außer sich. Ich bin meine Welt. Aber meine Welt stürzt gerade, meine Welt ist die Hölle.
Ich will dass's aufhört
Ich schaute um.

Um mich herum versuchten Menschen ihre Gleichgewichte zu halten. Das Flugzeug fliegt weiter vorbei, Kugeln in der Luft. Vor einem Jahr habe ich mein Zimmer verlassen. Ich lag noch auf den Boden und Versuchte, die Kälte der Boden meinem Körper zu geben. Mein Vater neben mir, meine Mutter dort im Zimmer. Und schon muss man neue Geräusche hören. Tage zuvor habe ich die erste Kugel gehört. Tage zuvor wünschte ich, dass es nie wieder geschossen wird. Tage später muss man die Bombe kennenlernen. Das ist kein Geräusch mehr. Es ist ein Beben. Es bebt. Sehr schnell, das Geräusch ist sehr schnell. Aber der Tod ist schneller, sagt mein Vater.

Tage später nach Tagen zuvor müsste ich fliehen. Meine Kindheit anlügen, Tage später würde ich wiederkehren. Tage später übernachte ich bei meiner Oma. Tage später befinde ich mich in diesem Gebäud'. So schnell, Tod ist schneller. Meine Oma ist im Treppenhaus, sie ruft nach meinem Vater, kehre in Frieden mein lieber Sohn. So alt sie ist, so viel sie litt, mit ihren Augen könnte sie den gesamten Krieg tragen. Für ihre Kinder trotz der stärksten Beben in Gleichgewicht stehn.
Tage später
Ich will dass's aufhört
Ich schaute um.

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