Montag, 28. Oktober 2024

Fata Morgana

Es ist schon wieder dunkel geworden. Im Winter vergeht der Tag eben so schnell. Entschuldigung, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich bin Maria, was bringt dich zu dieser Kneipe?

Sag etwas, dachte ich. Ich weiß nicht, warum ich hier bin. Es ist, als hätte ein namenloser Gott mich aus den Haaren gezogen und mich hier gesetzt. Frauen sprechen mich nicht sonst an. Ach ja, Maria. Maria… Kneipe, hier.

„Ja, wollte eben nach der Arbeit… ein wenig loslassen,“ setzte ich zusammen.
Ah, über die Arbeit sollten wir also am besten nicht reden, verstehe.

Sie hat wunderschöne Augen.

Du bist also nicht oft hier? Dich habe ich auf jeden Fall nie gesehen; nicht dass ich jeden hier kenne, verstehe mich nicht falsch, also…

Sie drehte sich zu ihrem Weißweinglas um. Ihr Territorium am Glasrand hat sie deutlich, aber nicht absichtlich, mit hell-rotem Kuss markiert. Sie trug eine weiße Tasche mit einem goldenen Rand. Ihre Jacke war warm, ich meine braun. Eine warme Farbe. Ihre dunkelrote Bluse aus Wolle hat bestimmt viel gekostet. Sie ließ sie sich leisten, weil sie so gut daran aussah.

"Das ist mein erstes Mal hier, de facto, ich habe mich irgendwie verlaufen. Diesen Teil der Stadt kenne ich gar nicht.“ Hinter dem Tresen funkelte eine Eiskugel, die der Barmann in einem Glas drehte. „Ich weiß nicht, wie ich in dieser Kneipe gelandet bin. Ich weiß auch nicht, wohin ich wirklich hin sollte.“

Du redest wie ein Kind, das seine Mutter verloren hat. Ich hörte, wie sie kicherte, sie drehte sich dann wieder zu mir. Bist du verloren, großer Mann? Dann lachte sie.

Du bist hier, um zu trinken! Eine Tequila für den Herren, bitte!
„Wasser,“ murmelte ich. Wurde, dem Murmeln gerecht, ignoriert. Mein Hals ist trocken. Sie zahlte, dann sprang weg von dem Stuhl, ich trank meine Tequila, sie tanzte. Ich schaute sie an. Harmonische Bewegung, schüchterne Schritte, gelassenes Gesicht, deutliches Lächeln. Die braun-roten Locken. Sie sah zauberend aus. Aber wie bin ich hier gelandet, und warum ist mein Hals so trocken. Wohin sollte ich hin, wenn ich nicht mal weiß, wo ich bin. Das Lied spielte weiter. Maria guckte mich an. Ich stand auf und habe ihre Schritte gefolgt, die immer weiter weg tanzten. Ich schaute sie nicht an, nur ihre Beine, ihre Schritte. Sie kannte das Spiel, sie kannte das Lied und … sie kannte die Schritte. Ich habe sie nur gefolgt.

Es ist immer so kalt im Winter. Ich denke immer darüber nach, in einen wärmeren Ort umzuziehen. Wie Spanien. Sie sagte das, und rieb ihre Hände zusammen. Spanien ist schön, dachte ich, aber so weit weg möchte ich nicht gehen. Nicht, dass irgendwer hier mich vermissen würde. Nicht, dass es all meine Probleme lösen würde. Komm! Worauf wartest du denn? Ich suchte, von wo das Geräusch kam. Da war die Silhouette einer attraktiven Frau am Straßenrand. Maria. Sie wusste, wohin zu gehen. Ich folgte die Schatten ihrer Schritte, die pulsierend deutlicher wurden, je nachdem ob ein Auto vorbeifuhr. Du bist so seltsam, warum sagst du denn nichts? ,,Mir ist es zu kalt, entschuldige mich…“ sagte ich laut. Der Alkohol hat da wirklich nicht geholfen. Komm, schneller, ich weiß, wo es warm ist! Sie wusste, wo es warm war. Sie kannte die Stadt, sie kannte die Wege, sie kannte die Läden.

Es ist mir so kalt im Schnee. Ich hätte mich anders anziehen müssen, wusste ich denn nicht, dass es draußen dunkel und kalt ist? Ich kann meine Füße nicht spüren. Die Sonne ging auf. Ich kann jetzt besser sehen, aber es ist noch so kalt. Ich kann Maria nicht finden. Sie hat mich hier verlassen, Gott weiß, wo ich bin. Die Straßen sind leer, die Lichter sind aus. Warum ist es so trocken in meinem Hals? Wo ist Maria hin. Ich suchte die braune Jacke, die weiße Tasche, die führenden Schritte. Ich suchte, wo es warm ist. Es ist so kalt im Winter. Vielleicht sollte ich nach Spanien umziehen, davor sollte ich aber mein Zuhause finden.

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