Sonntag, 26. Februar 2023

Auftragskiller (Teil I)

Es ist Sonntag und Jonathan ist gelangweilt. Er schaute mit faulen Augen auf seinem Computer. Sein Zimmer war dunkel, sein Bett stank, die Anzahl der Socken hinter der Tür war ungerade, und er, er hatte einen schwierigen Montag. Dann kam Dienstag, Mittwoch und dann Donnerstag. Seine Pupillen weiteten sich aus. Sein Zimmer war kalt, sein Arbeitstisch war leer. Er war wach. Aber draußen war es dunkel. Freitag und Samstag waren eintönig. Jonathan war gelangweilt, und das Leben war ziellos.

Hier lebt Jonathan. An der abgelegten Peripherie von Berlin. Jonathan war ein junger Mann, der endlich nicht mehr bei den Eltern lebte, sondern allein. Die Ruhe, die Einsamkeit und die Dunkelheit gaben ihm ein Gefühl der Sicherheit. Aber er hasste sein Leben, denn bisher hat er nichts Bedeutsames gemacht, und er findet auch keinen Zweck dazu.

Die Bedeutung des Lebens beschäftigte ihn sehr, denn er versucht immer wieder etwas zu finden, an dem er gut ist, an dem er allen besiegen kann. Jonathan war ein Loser, ein Nichtstuer und ein Nichtskönner. Das wüsste er, und jedes Mal, wenn er versucht, etwas dagegen zu tun, scheitert er, und landet wieder an dem Punkt null.

„Wenn nichts im Leben bedeutsam ist, dann ist das Leben nicht so wertvoll, wie viele behaupten“, denkt Jonathan immer wieder. Er habe keine Angst vom Tod, er würde sehr leicht jemanden töten, wenn er es müsste. Er sei stark, kaltblütig, ruhig und klug. Das sind einige Sachen, die Jonathan sich wiederholt einbildete.

Heute ist es Sonntag, Jonathan liegt im Bett, sein Laptop recht daneben. Heute wollte er ein wenig Spaß haben. Er umarmte sein Kissen, weitete seine Beine auseinander aus, und lag auf seinem Bauch.

Seine Pupillen engten sich. Das Laptop startete. Er schaute auf seinen Feed, Familie, Freunde, Memes, und das wiederholt. Jonathan hatte heute etwas anderes im Kopf. Er wollte Adrenalin. Er wollte Lebensenergie. Er wollte etwas Spannendes diese Nacht haben.

Obwohl Jonathan nach einem Mann klingt, der noch in der Pubertät lebt, lebten in ihm die Scheiben, die in dieser Phase entstanden. Jedes Hassgefühl, jede Verletzung, jedes Trauma, alles in Einem lebte in ihm. Er ließ sein Gehirn gerne betäuben. Sei es mit Videospielen, Videos, oder auch: Gore.

Das „Dark Web“ ist ein Teil des Internets, wo man Anonym bleiben kann. Man ist wahrscheinlich mit dem World Wide Webs familiär. Jeder Link führt zu einer Webseite, die von einem Server irgendwo auf der Welt gehostet wird. Im Dark Web aber sind die Webseiten nicht öffentlich verlinkt, sondern aus mehreren Computern von überall auf der Welt gleichzeitig. Man kann also den Ersteller einer Webseite theoretisch nicht finden. Als Nutzer des Dark Webs wird man dann auch anonym, da man durch die Nutzung einer bestimmten Software aus mehreren Computern gleichzeitig eine Webseite zugreift. Das erlaubte vor allem Perverser und Kriminelle ein wenig Freiheit. Bezahlt wird normalerweise mit Bitcoin, eine digitale Währung, dank der anonymen Transaktion. Die größten Drogenmarkte befinden sich im Dark Web.

Das wüsste Jonathan natürlich. Und das Software hatte er schon installiert. Sein Ziel war, sich optisch zu befriedigen. Er tippte „Gore“ und suchte durch verschiedene Foren, wo Nutzer Fotos von Leichen posteten: Leute, die auf der Straße getötet wurden, oder deren Körper in einer Leichenhalle liegt, oder aufgehängt sind. In anderen Foren gab es sogar Videos von Kriminellen, die Menschen enthaupteten oder lebendig brennten. Das waren meistens Gangmitglieder oder politische Truppen. Manche Nutzer bearbeiteten die Videos, in dem die manchen zusammenkombinierten, Leichen sexualisierten oder sich um die Opfer lustig machten.

Jonathan beteiligte sich daran nicht. Innerlich fand er, was er sah, erschreckend, jedoch gab ihm genau dieses Gefühl, nicht daran beteiligt zu sein, ein Gefühl der Lebensfreude und Selbstwertgefühl. Also schaute er weiter, und je mehr Bilder er sah, desto normaler schienen sie für ihn.

Er wechselte die Webseite. Nun war er neugierig. Er suchte nach einem Markt und landete auf die Hauptseite: Drogen. Es gab Kokain, Cannabis und andere, von denen er noch nie hörte. Eine Unterkategorie: Dienstleistungen. Da könnte man Geld oder Ausweise fälschen. Andere Unterkategorie: Waffen. Von Kleinwaffen bis zu Sturmgeschütz. Es schien so simpel, so schrecklich simpel, dass Jonathan es nicht glaubte. Es war wohl sein erstes Mal auf dem Dark Web. Die absurde Einfachheit des Ganzen ließ ihm hinterfragen, ob das alles legitim ist. Ob er ein Produkt echt haben könnte, wenn er es bezahlt und eine Adresse eingibt. Ein paar null Komma etwas von Bitcoin hatte er schon gespart. Aber er wollte es nicht darauf verschwenden. Er hatte nichts Besseres, wofür er sparen könnte, aber Drogen machte er nicht und töten möchte er niemanden.

 

„Oder doch?“ Dachte er. Gibt es Auftragskiller im Dark Web? Er tippte die Wörter, und er fand die Webseite: KillForMe, das war der Titel auf der Webseite. Sehr kurios mit einem dunklen Hintergrund und dunkelrotem Interface gestaltet. Am Banner gab es eine Galerie mit Bildern von Waffen, vermummte Individuelle, zensierte Leichen und mit Kugeln durchbrochene Fenster. Darunter zwei bis drei Paragrafen „Über uns“. Jonathan glaubte seinen Augen nicht. „Wir akzeptieren Aufträge von überall auf der Well“, „Wir erledigen den Job schnell und behutsam“, „Man wird danach nicht nachverfolgt“, „Gibt uns Name, Adresse, Foto oder irgendwas, mit dem wir etwas anfangen könnten, und sitze ruhig“, „Foto Beweise nach Auftragsende“.

Das Leben eines Menschen war einen Knopfklick Wert, dachte Jonathan kritisierend. Auf der Webseite standen keine Preise, man solle zuerst den Job besprechen, dann werde ein Preis in Bitcoin vorgeschlagen. Es sei komplett anonym, und es werde nach keinen persönlichen Daten gefragt. Ziemlich überzeugend. „Wir wissen nichts über dich, wir können deshalb nicht die Bundespolizei sein“.

Jonathan war aufgeregt. So viele Spannung auf einmal hat er seit langem nicht mehr erlebt. Er wollte noch tiefer erkunden. Er klickte auf „Chat beginnen“ und wartete darauf, dass einer der Auftragskiller ins Chat-Kanal kam. Es dauerte ein paar Minuten, bis er ein „Hallo, wen sollten wir töten? Bitte zuerst Ort und Datum eingeben, um einen Preisvorschlag zu machen“ als Antwort erhielt. Der Auftragskiller hatte den Pseudonym „Grompy“. Grompy brachte es auf den Punkt. Jonathan war es plötzlich bange. Er fühlte sich beobachtet, und fühlte eine plötzliche Bedrohung. Er liebte es aber. Dieses Gefühl, das mochte er. Er schrieb: „Berlin, nächsten Freitagabend“ und klickte auf Senden. Nach den gleichen Minuten wie vorher antwortete Grompy: „0,022 Bitcoin auf mxyQm7iVFyHqvVpPJ6km5bkmapUp6Eb5sn, stelle es in der verzögerten Sendung, sodass wir den Betrag erst dann erhalten, wenn der Job zu Ende ist und wir das Beweisbild schicken. Wir müssen aber sicherstellen, dass du zahlen kannst.

Jonathan war völlig perplex. 0.022 Bitcoin könnte er es sich leisten. Für ein Abenteuer, warum nicht? Er dachte aber, so viele Menschen kennt er gar nicht, auch nicht Jenigen, die er töten würde. Es müsste jemand sein, der nah von hier lebt, damit er das Killen miterleben kann, damit er dien Auftragskiller sieht. Er würde dann den Killer stoppen und die Polizei benachrichtigen. Diese Killer seien doof, sowas in einem Land wie Deutschland zu betreiben. Denken sie wirklich, sie könnten einfach töten und davonkommen? Er dachte zu sich. Er schrieb dann: „Jonathan Kristopher, 22 Jahre, alleinlebend, Ringpromende 20, Falkensee“

Jonathan verzögerte kurz, sendete aber entschlossen die Nachricht. „Ist sowieso wahrscheinlich nur eine Abzocke“, dachte er. „Wie sieht er aus?“. Jonathan sendete dann ein Foto von sich. „Hat er Kinder, die ihn rechen wollen würden?“. Das ist doch unmenschlich, die würden die Kinder auch töten? Dachte Jonathan. Das Adrenalin fließ. Eine Mischung aus Hass, Wut, Selbstwertgefühl und Stärke überfüllte ihn. „Nein“ antwortete er. „Ok, wir bekommen den Job bei Freitag hin“.

[Zahlung bestätigt. Status des Auftrags: In Vorbereitung]

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